Meine Krankheit

Als du jung warst habe ich mich in dein Leben eingeschlichen. Ich half dir bei vielen Problemen.
Wenn es darum ging mit anderen zu reden, ich löste deine Zunge. Wenn es darum ging Mädchen anzusprechen, half ich dir deine Hemmungen zu überwinden.


Als du dich lösen wolltest von deinem Vater, half ich dir, denn ich gab dir den Mut. Als du dann das erste Date hattest machte ich dich frei von deinen Hemmungen. Du fandest Freunde, denen konntest du mit mir imponieren, indem du mehr Bier trankst als sie. Ich half dir dich auf den Feierabend zu freuen, weil du dich mit mir belohnen konntest. Doch ich drängte mich immer mehr in dein Leben.


Du wolltest frei sein und ich gab dir das Gefühl, aber ich war schon ne Weile nicht mehr frei. Du übernahmst immer mehr und mehr die Kontrolle in meinem Leben. Wenn ich sagte ich geh nur ein Bier trinken, dann zeigtest du mir wer das Sagen hat. Ich war dann immer der letzte Gast wenn der Wirt die Stühle hochstellte.


Mit dir wurde ich zu einem bösen Menschen, denn du hattest mich schon ganz im Griff. Du umschlangst mich wie eine Krake, du zogst mich immer weiter runter. Ich hatte aber immer noch die Meinung das es kein Problem mit dir war. Immer tiefer drangst du in mich ein und übernahmst die Kontrolle. Ich war so ahnungslos!!


So sank ich immer tiefer und du zeigtest mir schon deine Macht. Wenn ich morgens aufwachte und nicht mehr wusste was am Abend passiert war. Der Kopf fast zerplatzte und die Hände zitterten wie Espenlaub. Du mich anschriest ich solle gefälligst gleich einen Schluck von dir nehmen. Du mir einredest das sei alles nicht so schlimm. Ich aber schon des öfteren wegen dir den Arbeitsplatz wechseln musste. Als meine Frau es nicht mehr aushielt, dich mit mir teilen zu müssen, sie mich deshalb einfach rauswarf.


Du sagtest das sei doch kein Problem, es sei ja jetzt endlich keiner mehr da der mich kontrolliere. Du sagtest mir nun sei ich ja endlich frei. Der Führerschein war ja auch schon ne Weile weg. Ja und du sagtest mir immer und immer wieder „Gunter das ist doch kein Problem.“ Dann war ich am Boden und es bestand die Gefahr auch noch den letzten Arbeitsplatz zu verlieren.


Dann fand ich per Zufall AA, bei einem Weinfest. Dort war der Jellineksche Bogen, den ich in einer halbwegs nüchternen Stunde ausfüllte, der Schlüssel in ein anderes Leben. Am Anfang war es wirklich sehr schwer mit dir, denn du wolltest nicht so einfach gehen. Ich fiel in einen delirähnlichen Zustand. Doch ich wollte nicht aufgeben, die Menschen die dort an den Tischen saßen gaben mir Hoffnung dich endgültig loszuwerden!


Du fingst an zu fluchen auf die AAs die dir die Macht über mich raubten. Ich wollte einfach nicht aufgeben, trotz eines Rückschlages am Anfang. Wieder gaben mir die Freunde an den Tischen Mut. Es waren Freunde geworden, denn von den alten hatte ich am Ende keine mehr. Diese Freunde konnte ich anrufen wenn ich in Not war. Diesen Freunden konnte ich alles erzählen, wie es in mir aussah, was in mir vorging...


Die Freunde öffneten mir die Augen über dich, ich war dein Sklave geworden Ja und ich fand das AA Programm und ich konnte schon die Freiheit sehen. Ich lernte wieder lachen und weinen.
Ich war auch bereit für die Freunde etwas zu machen. Erst war es bloß Kaffee kochen. Dann wurde ich ein Schlüsselträger, also ich war verantwortlich, dass der Meetingsraum immer pünktlich geöffnet wurde. Ich übernahm meinen ersten Dienst als Gruppensprecher.
Ja und und ich lernte meine zweite Frau kennen Ich merkte gleich zu Beginn das es mit uns beiden was Ernstes werden könnte. So sagte ich ihr auch gleich was mit mir los war. Das ich ein Alkoholiker bin.


Es schreckte sie nicht ab, sondern wir heirateten und meine Frau wurde schwanger. Also drang sie darauf das ich meinen Führerschein wieder machte. Ich bekam also alles wieder was in den Versprechen von AA steht. Meine Tochter ist jetzt 21 Jahre alt und sie hat ihren Vater nie besoffen gesehen. Das verdanke ich alles den AAs!

 

Dann fand ich mein erstes Online-Meeting mit meinem ersten Computer. Auch dort fand ich mich schnell zurecht und es wurde zu meiner zweiten Heimat. Ich bin immer noch bei den Onlinern wie es so schön heißt. Es sind im Laufe der Zeit daraus so schöne Freundschaften entstanden. Auch da möchte ich nicht mehr missen. Mein Leben hat sich verändert weil ich mich verändert habe. Aber er ist immer noch da und er ist klein geworden.
Er hat keine Macht mehr über mich

 

Ich will meine Freiheit nie wieder eintauschen !!!

 

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